Im novemberlichen Berlin wird derzeit viel über Positionen gesprochen. Die Blickrichtung für eine mögliche Jamaika-Koalition orientiert sich dabei am kleinsten gemeinsamen Nenner, so scheint es. Zwischen Roten Linien wird ein Raum gesucht, der zum gemeinsamen regieren taugt. Dabei steht jede der vier beteiligten Parteien für ein gewisses Wählerspektrum und vertritt entsprechend unterschiedliche Interessen.
So vertritt die FDP trotz „neuem denken“ die Interessen der Besserverdienenden und wird damit ihrem traditionellen Handlungsrahmen gerecht. Die CDU blickt weiter mit großer Konsequenz auf die Interessen der Großunternehmen und die CSU hat „hart in der Sache“ den Freistaat Bayern im Blick. Bei uns Grünen ist Idealismus und eine große Ernsthaftigkeit bei Umweltschutz und Bürgerrechten im Spiel.
Die Perspektiven unterscheiden sich also. Alle Parteien blicken durch ihre Brille auf das Spielfeld der Rahmenbedingungen. Ich will meins durchsetzen. Kompromisse als Tauschgeschäft: Wenn die Grünen das machen, dann macht die FDP dies und die Union das. Ein fauler Zauber, der den Politikverdruss eher stärken wird und in meine Augen den Sinn einer solchen Jamaika-Koalition auch grundsätzlich in Frage stellt.
Grabenkämpfe oder eine neue Idee für Jamaika?
Als Gestalter habe ich irgendwann einmal gelernt, wenn ich versuche unter Berücksichtigung von Grenzen etwas zu gestalten, dann kommt da nichts bei raus. Gestaltung braucht Freiheit, keine Grenzen. Die Sondierungsgespräche sind derzeit jedoch von Grenzen gekennzeichnet. Da macht die Gedanken eng und verstellt den Blick auf die Lösung.
Wie könnte man sich dem Thema anders nähern? Ich vermute dazu müsste man eine gemeinsame Vision entwickeln, ein Idealbild, in dem alle Blickwinkel berücksichtigt sind. Das ganze zunächst ohne sich intensiv mit den Ausschlüssen zu beschäftigen. Das entstandene Bild kann man später auch noch wieder einengen, zunächst geht es darum einen möglichst großen Raum mit möglichst vielen Optionen zu schaffen.
Allein diese Veränderung des Blickwinkels sorgt dafür, dass eine konstruktive Ebene entsteht. Robert Habeck beschrieb diesen Prozess als Blick auf die Gemeinsamkeiten Es erscheint mir wertvoll diesen Perspektivwechsel ganz bewusst zu vollziehen. Ich behaupte sogar, dass sich dadurch in kurzer Zeit viele Knoten lösen lassen, da diese Methode die Chance auf einen Kulturwandel in der Politik beinhaltet. Genau der ist notwendig, wenn man den Menschen eine Idee, eine glaubwürdige Vision für unser Land vermitteln möchte. Ohne diese Vision wird die Unzufriedenheit eher steigen, die Menschen sich eher den politischen Rändern zuwenden. Und dass wollen alle Parteien vermeiden, denke ich.
Liebe Sondierende, habt den Mut zu einer großen Vision! Eine, die es schafft verschiedene Interessen abzubilden: Vom Mittelstand, der Industrie, dem Klimaschutz und am wichtigsten von den Menschen. Chancengerechtigkeit basiert immer auf einem bewussten Ausgleich der Interessen. Darum geht es und dann funktioniert auch Jamaika!
P.S. Eine weitere Möglichkeit die Erfolgschancen zu steigern ist eine externe Moderation.
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